07 Februar 2013

Verjährungsfrist bei Plagiatsvergehen in Doktorarbeiten?

Gestern habe ich bei einer Diskussion über den Fall der Wissenschaftsministerin Schavan und ihre Doktorarbeit im Deutschlandfunk zum ersten Mal davon gehört, ein kurze Recherche im Netz brachte weitere Quellen hervor: An verschiedenen Stellen taucht und tauchte die Forderung auf, eine Verjährungsfrist bei Plagiatsvergehen einzuführen (z.B. beim Focus[1]), insbesondere durch den Juristen Wolfgang Löwer, seines Zeichens Ombudsmann der Deutschen Forschungsgemeinschaft für wissenschaftliches Fehlverhalten.

Selbst schwere Straftaten verjähren

In der Süddeutschen Zeitung geht die Argumentation so: „Straftaten verjähren [...], selbst Verbrechen, auf die lebenslange Haft steht, können nach 30 Jahren nicht mehr geahndet werden (außer Mord). Einerseits mag es unverhältnismäßig sein, dass dies für Dissertationen nicht gilt. [...]“[2] Beim „andererseits“ geht es dann um den Vorbildcharakter einer Ministerin, aber darüber möchte ich hier nicht schreiben.
Und es stimmt! Die Verjährung gilt auch in diesem Fall. Ich finde es absolut richtig, dass dieser Betrug nach langer Zeit nicht mehr geahndet werden kann. Ein früherer Arbeitgeber von Frau Schavan kann nicht mehr fordern, dass er Teile des Gehaltes zurückbekommt, weil sie eigentlich keinen Doktortitel hatte.

Richtigstellung verjährt nicht

Allerdings ist die Forderung, die im Raume steht, diejenige, dass aus Gründen der Verjährung der Doktortitel nicht mehr entzogen werden dürfe. Und dabei reagiere ich mit Unverständnis. Der Entzug des Doktortitels ist schließlich eigentlich keine Bestrafung, sondern lediglich die Richtigstellung des vor vielen Jahren begangenen Unrechts, Frau Schavan den Doktortitel zu verleihen. Und die Richtigstellung eines begangenen Unrechts verjährt meines Wissens nicht! Wenn Hans dem Franz vor 30 Jahren das Familienerbstück geklaut hat, dann wird Hans dafür vielleicht nicht mehr bestraft, aber zurückgeben muss er das gute Stück trotzdem. Und natürlich werden auch noch heute in der DDR oder im Dritten Reich zwangsenteignete Menschen entschädigt, auch wenn das schon viele Jahre her ist. Nicht, dass die Qualität des begangenen Unrechts in diesen Fällen in irgendeiner Weise vergleichbar wäre, aber das Prinzip dabei sollte klar sein.

Jan Ullrich doch Sieger der Tour de France 1997?

Wenn Frau Schavan den Titel behalten dürfte, obwohl die Universität das unrechtmässige Zustandekommen des Doktortitel bestätigt, dann wäre das ungefähr so, als dürfte Jan Ullrich (kennt den noch einer?) noch behaupten, Sieger der Tour der France von 1997 zu sein, denn schliesslich sei sein Dopingvergehen ja schon viele Jahre her. Oder Christoph Columbus würde noch immer als „Erster Europäer in Amerika“ bezeichnet, weil die Entdeckung, dass die Wikinger vor ihm da waren, erst viele Jahre später gemacht wurde.
Ein Titel ist in erster Linie eine Ehrenbezeichnung, und wenn sich später herausstellt, dass diese Ehrenbezeichnung nicht rechtens war, dann kann sie natürlich auch nach vielen Jahren noch entzogen werden.